Unter den Folgeerkrankungen des Diabetes spielen die Gefäßkrankheiten eine zentrale Rolle. Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems sind bei Menschen mit Diabetes immer noch mit 75 Prozent die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisung und mit 50 Prozent häufige Todesursache. „Durchblutungsstörungen“ sind die Folge von Verengungen oder Verschlüssen der Arterien (Schlagadern).
Je nachdem welches Organ betroffen ist, ergeben sich für die Patientinnen und Patienten ganz unterschiedliche Folgen: Durchblutungsstörungen des Gehirns können zu Schwindelzuständen oder gar zu einem Schlaganfall führen, am Herzen kommt es zu Angina pectoris-Beschwerden oder einem Herzinfarkt. Durchblutungsstörungen der Bauchaorta oder der Beingefäße haben Schmerzen in den Beinen, die sogenannte „Schaufensterkrankheit“, zur Folge. Daher ist die regelmäßige Untersuchung der Blutgefäße bei Menschen mit Diabetes eine wichtige Voraussetzung, um durch eine gezielte Behandlung eine Verbesserung der Durchblutung zu erreichen. Hierdurch können Herzinfarkt, Schlaganfall oder Gewebsstörungen an den Beinen vermieden werden.
Dr. Christoph Beck vom Klinikum Nürnberg stellt in seinem Vortrag auf dem 3. Patiententag des Diabetesinformationsdienstes am Helmholtz Zentrum München Krankheitsbilder vor, die sich als Spätfolge des Diabetes mellitus entwickeln können. Viele Organsysteme können betroffen sein - Augen, Nieren, Gehirn, Herz, Blutgefäße der Beine sowie Nerven.
IN KÜRZE
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) bezeichnet Durchblutungsstörungen vor allem der Beine und wird oft als "Schaufensterkrankheit" bezeichnet.
Etwa viereinhalb Millionen Deutsche leiden an Durchblutungsstörungen der Beine, seltener auch der Arme. Diese sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) ist häufig eine Spätkomplikation des Diabetes. 35 bis 45 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit PAVK haben eine diabetische Stoffwechselstörung. Neuere Daten weisen eine Diabetes-Häufigkeit bei fast 50 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit Verschlüssen der Unterschenkelarterien (arterielle Unterschenkelläsionen) auf: Bei hochgradiger Durchblutungsstörung (kritische Extremitätenischämie) und Unterschenkel-PAVK liegt die Diabetes-Häufigkeit bei etwa 80 bis 90 Prozent. Die Unterschenkel-PAVK ist entscheidend für die Entstehung und die Prognose eines diabetischen Fußsyndroms. Im höheren Alter ist die PAVK häufiger anzutreffen. Aufgrund des demographischen Wandels und der zunehmenden Alterung der Menschen mit Diabetes wird die PAVK insgesamt häufiger registriert.
Die PAVK ist eine ernstzunehmende Störung der Arteriendurchblutung im Becken sowie in Armen und Beinen. In 95 Prozent der Fälle sind bei einer PAVK die Beinarterien durch Arterienverkalkung stark verengt oder verschlossen, so dass die Füße nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden. Die Betroffenen haben bei Belastung Schmerzen in den Beinen, was beim Gehen zu Gehpausen führt. Man spricht dann von der Schaufensterkrankheit (Claudicatio intermittens). Risikofaktoren für eine PAVK sind neben Diabetes vor allem das Rauchen ("Raucherbein"), Bluthochdruck sowie ein erhöhter Cholesterinspiegel.
Die Tatsache, dass bei den meisten Diabetikern mit Durchblutungsstörungen vorwiegend die Unterschenkelarterien befallen sind, erklärt die schlechtere Prognose und die erschwerten Bedingungen für wiedereröffnende Maßnahmen und die Gefäßchirurgie.
Die PAVK ist in erster Linie für das Auftreten von schweren Durchblutungsstörungen an den Füßen und den dann oft nicht zu vermeidenden Amputationen verantwortlich. Nach den Daten der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland waren bei den Amputationen 76 Prozent Männer, davon hatten 66 Prozent einen Diabetes. Die relativen Amputations-Risiken waren bei Menschen mit Diabetes gegenüber Gesunden deutlich erhöht.
Obgleich die PAVK eine häufige Erkrankung ist, wird sie oft nicht oder erst spät erkannt und nur unzureichend behandelt. Das hängt damit zusammen, dass viele Betroffene erst bei Verengungen von mehr als 90 Prozent Symptome entwickeln. Denn der Körper hat die Fähigkeit, neue Gefäße bzw. Umgehungskreisläufe zu bilden, die das mangelversorgte Gewebe "ersatzmäßig" durchbluten. Eine frühere Diagnose wäre aber wünschenswert – nicht nur um Folgeschäden an den Beinen und Füßen zu verhindern, sondern auch, weil bei PAVK-Patienten zumeist auch in anderen Gefäßen Verkalkungen vorliegen. Dementsprechend ist das Risiko der Betroffenen für einen Schlaganfall (siehe Diabetes und Gehirn) oder koronare Herzkrankheiten (siehe Diabetes und Herz) erhöht.
Die Diagnosestellung beginnt mit dem klärenden Gespräch zur Krankengeschichte und einer Sichtung der Haut an den Beinen. Der Arzt tastet meist auch den Pulsschlag an den Füßen. Liegt eine PAVK vor, ist dieser schwach oder kaum tastbar. Ein weiterer wichtiger Teil der Diagnose ist ein Gehtest, mit dem die Strecke bestimmt wird, die der Patient schmerzfrei gehen kann. Dadurch ist es möglich, das Erkrankungsstadium zu bestimmen.
Nationale und internationale Leitlinien fordern, dass bei allen Menschen mit Diabetes die Durchblutungssituation mit der Ultraschall-Doppler-Methode (Knöchel-Arm-Index) überprüft werden soll. Die Ergebnisse zeigen nicht nur das Gefährdungsrisiko der Füße an, sondern die so diagnostizierte PAVK ist auch ein sehr wichtiger Risikomarker für Herzinfarkt und Schlaganfall. Bei Diabetikern mit einem abnormen Doppler-Index sollte ein bildgebende Untersuchungsmethode (farbkodierter Ultraschall-Duplex) angeschlossen werden.
Mit der Ultraschall-Doppler-Methode können auf dem Bildschirm das fließende Blut und Verengungen der Strombahn sichtbar gemacht werden. Die Methode eignet sich besonders für die Arterien der Beine und der Arterien im Halsbereich (Halsschlagadern). Für tiefer im Körper liegende Arterien (z.B. Nierenarterien, Herzkranzgefäße und Hirnarterien) benötigt man eine sogenannte Angiographie mit einem Kontrastmittel, das über einen Katheter in die Gefäße gespritzt wird. Zur Bildgebung werden Röntgenstrahlen verwandt.
Als Alternative steht seit wenigen Jahren die Gefäßdarstellung mit der Kernspintomographie, die sogenannte Magnetresonanz-Angiographie zur Verfügung. Hierbei werden keine Röntgenstrahlen sondern starke Magnetkräfte verwandt. Die Arterien im Kopf- und Halsbereich, im Brustkorb-, Bauch- und Beinbereich können damit sehr gut und sicher abgebildet werden, so dass häufig auf eine Katheteruntersuchung verzichtet werden kann.
Man unterscheidet vier Erkrankungsstadien der PAVK:
Gefäßkrankheiten lassen sich mit einer gesunden Ernährung und ausreichender Bewegung vorbeugen. Ganz wichtig ist ein absolutes Rauchverbot. Darüber hinaus sind eine gute Blutzuckereinstellung, ein normaler Blutdruck und gute Blutfettwerte unabdingbar.
Ist bereits das PAVK-Stadium 2 erreicht, sollte ein Gehtraining erfolgen, bei dem mehrmals täglich jene Strecke zurückgelegt wird, die schmerzfrei absolvierbar ist. Weiterhin gibt es Medikamente (z.B. Thrombozytenaggregationshemmer, zum Beispiel Aspirin oder Clopidogrel), die die Blutgerinnung hemmen. In jedem Fall sollte der HbA1c-Wert im Bereich von 7 Prozent liegen.
Liegen Gefäßverengungen im Oberschenkel- oder Beckenbereich in einer Größenordnung über einige Millimeter vor, lässt sich die Engstelle, sofern sie nicht starr ist, mit einem Ballonkatheter weiten (sogenannte Interventionelle Angioplastie). Im geweiteten Gefäßteil lassen sich Ablagerungen dann ausschälen und ein Stent, also eine Gefäßstütze, gegen eine erneute Verengung implantieren. Die endovaskuläre Angioplastie stellt die Methode der Wahl für den ersten interventionellen arteriellen Eingriff dar.
Bei Gefäßverengungen über längere Strecken muss ein Bypass gelegt werden. Lässt sich die Durchblutung nicht mit einem operativen Eingriff verbessern, kommen in der Regel ab Stadium 3 sogenannte gefäßerweiternde Medikamente zum Einsatz. Im Extremfall erfolgt eine Amputation. Amputationen können aber durch die konsequente Behandlung der Risikofaktoren (Rauchen, hohe Blutzuckerwerte, hoher Blutdruck und hohes Cholesterin), durch Arterienrekonstruktion und insbesondere durch die Prophylaxe und adäquate Therapie von Infektionen an den Füßen vermieden werden.
Der Blutdruck ist der im Gefäßsystem herrschende Druck, mit dem das Blut durch den Körper gepumpt wird. Der normale Wert für den Blutdruck liegt bei etwa 120/80 mmHg, ab Werten über 140/90 mmHg spricht man von Bluthochdruck (Hypertonie). Ein langfristig erhöhter Blutdruck kann zahlreiche Organe schädigen, wie beispielsweise Herz, Nieren, Gehirn oder Nerven. Bluthochdruck ist ein Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vorzeitigen Tod.
Mehrfache Untersuchungen haben bestätigt, dass Menschen mit Diabetes häufiger Bluthochdruck entwickeln als Nichtdiabetiker. Risikofaktoren für Bluthochdruck sind neben dem Rauchen auch ein erhöhter Blutzucker, Übergewicht und erhöhte Blutfettwerte. Eine Kombination der drei letzteren Faktoren mit Bluthochdruck und/oder einer Fettleber wird auch als Metabolisches Syndrom bezeichnet. Bei Typ-1-Diabetes ist der Bluthochdruck eng mit den diabetischen Veränderungen an der Niere vergesellschaftet. Bei dauerhaft erhöhtem Blutdruck steigt das Risiko sowohl für Herz-Kreislauf Krankheiten (Makroangiopathie) als auch für diabetische Augen- und Nierenschädigungen (Mikroangiopathie) deutlich.
Bluthochdruck verursacht an sich zunächst keine Symptome. Erst durch Schädigungen der Organe kommt es zu Beschwerden. Ein kurzzeitig massiv erhöhter Blutdruck kann Kopfschmerzen, Augenflimmern oder Übelkeit hervorrufen.
Da Bluthochdruck symptomarm ist, jedoch häufig auftritt, gehört seine Messung zu den Routineuntersuchungen beim Hausarzt. Für die Messung wird eine Manschette am Oberarm angelegt und mit Luft aufgepumpt, bis der Blutfluss unterbrochen wird. Dann wird die Luft durch ein Ventil langsam entlassen und gleichzeitig mit dem Stethoskop über der Ellenbeuge gehorcht. Entspricht der Manschettendruck dem Blutdruck, strömt wieder Blut durch das darunter liegende Blutgefäß, was als Pulsschlag durch das Stethoskop zu hören ist. Dieser Druck ergibt den oberen Wert des Blutdrucks. Der Manschettendruckwert, ab dem der Pulsschlag verschwindet, also keinerlei Widerstand mehr durch die Manschette besteht, ist der untere Blutdruckwert.
Es gibt auch elektrische Blutdruck-Messgeräte, die am Oberarm oder Handgelenk von Patienten selbst angelegt werden können. Mit der Eigenmessung lässt sich der Therapieverlauf eigenverantwortlich mitgestalten. Auch kommen elektrische Messgeräte in der 24-Stunden-Blutdruckmessung zum Einsatz, eine wichtige ergänzende Untersuchung, die unerkannte Blutdruckspitzen und Veränderungen des Tag-Nacht-Rhythmus aufzeigt.
Eine effektive Blutdruck-Therapie kann das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und vorzeitigen Tod um bis zu 50 Prozent senken. Selbst eine nur geringfügige Absenkung des erhöhten Blutdrucks kann die drohenden Gefäßschäden erheblich reduzieren.
Nach wie vor bilden Veränderungen des Lebensstils (u.a. gesunde Ernährung und Gewichtsreduktion, regelmäßige körperliche Aktivität, Nichtrauchen) die Grundlage für die Prävention und Therapie von Bluthochdruck und seinen Folgekrankheiten.
Für die medikamentöse Behandlung des Bluthochdrucks stehen unterschiedliche Substanzen zur Verfügung. Sie greifen an verschiedenen Stellen in das Blutdruck-regulierende System ein:
Menschen mit Diabetes können alle aufgeführten Medikamente einnehmen, allerdings ist bei einigen Klassen auf eine spezielle Wirkstoffauswahl zu achten. Eine Hierarchie der zu bevorzugenden Medikamente gibt es nach Vorstellung der neuen Leitlinien nicht mehr. Dies soll zu einer höheren Flexibilität für den Arzt führen. Die individuellen Risikofaktoren und Mehrfach- bzw. Folgeerkrankungen der Patientinnen und Patienten bestimmen die Medikamentenauswahl. Bestimmte Herz- oder Nierenkrankheiten erfordern beispielsweise eine darauf zugeschnittene Therapie. Bei den meisten Betroffenen sollen Kombinationen der Substanzen zur Anwendung kommen. Das erhöht die Effektivität der Therapie und vermindert Nebenwirkungen.
Ziel der blutdrucksenkenden Therapie sind Blutdruckwerte unter 140/80 mmHg, wenn möglich auch unter 130/80 mmHg. Systolische Werte unter 120 mmHg sollte man vermeiden. Für die zunehmende Zahl an älteren Patientinnen und Patienten (>80 Jahre) gilt, dass eine Therapie bei systolischen Werten von >160 mmHg in Betracht gezogen werden sollte.
Aktuelle Forschung
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Letzte Aktualisierung |
05. April 2019 |